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Mehr Rückkehrgespräche: Gesunde Beziehungen im Job

Zwei Mitarbeiterinnen im Businessgespräch in modernem Büro, symbolisch für vertrauensvolle Kommunikation im BEM-Prozess

BEM ist mehr als ein gesetzlich vorgeschriebenes Verfahren – es ist ein strategisches Werkzeug, um Vertrauen, Gesundheit und Zusammenarbeit im Unternehmen neu zu definieren.
Wer glaubt, ein Gespräch zur Rückkehr sei ausreichend, übersieht das Potenzial individueller Lösungen und systemischer Kommunikation.

Vertrauen ist kein Protokollpunkt

Viele Unternehmen führen das betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) als Pflichtaufgabe durch. Das Ziel: die schnelle Rückkehr eines Mitarbeitenden nach längerer Erkrankung. Doch ein reines Rückkehrgespräch greift zu kurz. Wer die Maßnahme als reine Formalität abwickelt, verpasst die Chance, nachhaltige Beziehungen im Arbeitskontext zu stärken – und die eigentlichen Ursachen von Arbeitsunfähigkeit zu verstehen.

Das Betriebliche Eingliederungsmanagement BEM ist kein bürokratischer Akt. Es ist ein Gesprächsrahmen, der auf Vertrauen basiert. Nur wenn sich betroffene Mitarbeitende sicher fühlen, öffnen sie sich für echte Lösungen. Hier liegt die Verantwortung bei Führungskräften und HR: Wie wird das Gespräch geführt? Wird zugehört – oder wird kontrolliert?

Gelingende Kommunikation als Schlüssel

Ein zentraler Aspekt erfolgreicher BEM-Verfahren ist die Gesprächsführung. Offene Fragen, aktives Zuhören, lösungsorientiertes Denken – diese Fähigkeiten entscheiden über Erfolg oder Misserfolg des Prozesses. Standardisierte Rückkehrformulare allein lösen keine Probleme.

Die Gesprächsatmosphäre muss frei von Druck und Vorwurf sein. Besonders bei psychischen Belastungen braucht es einen geschützten Raum. Wer hier zu früh in Leistungsziele kippt, verliert das Vertrauen des Mitarbeitenden und riskiert langfristige Ausfälle.

Hinzu kommt: Viele Vorgesetzte fühlen sich mit dieser Rolle überfordert. Sie brauchen Unterstützung – durch Schulungen, durch professionelle Moderation, durch interne oder externe BEM-Beauftragte mit systemischer oder psychologischer Kompetenz.

Psychische Belastung sichtbar machen – aber wie?

In der Praxis ist es oft einfacher, körperliche Einschränkungen zu adressieren als mentale. Rückenschmerzen lassen sich leichter thematisieren als Angstzustände, Erschöpfung oder depressive Symptome. Doch gerade diese psychosozialen Faktoren sind zunehmend Gründe für lange Fehlzeiten.

Ein modernes BEM muss deshalb sensibel auf psychische Signale reagieren können – ohne zu pathologisieren. Ziel ist es nicht, Diagnosen zu stellen, sondern gemeinsam Maßnahmen zu entwickeln, die zur Stabilisierung beitragen: flexible Arbeitsmodelle, Umstrukturierung von Aufgaben, Supervision, Wiedereinstiegsbegleitung oder der Zugang zu psychologischen Beratungsstellen.

✅ Checkliste für Führungskräfte: So gelingt ein professionelles BEM-Verfahren

Zwei Männer im professionellen Gespräch als Symbol für eine gelungene BEM-Vorbereitung durch Führungskräfte

Einsetzbar vor, während und nach dem Gespräch 🧩

✔️Maßnahme / Impuls für Führungskräfte
Interne Abläufe kennen: BEM-Prozessschritte, Zuständigkeiten und Datenschutzpflichten klar nachvollziehen.
Vertraulichkeit sicherstellen: Ort, Zeit und Setting des Gesprächs im Vorfeld sorgsam wählen. Keine Dritten ohne Einverständnis einladen.
Sprache vorbereiten: Formulierungen vorab durchdenken – wertschätzend, ergebnisoffen, keine Andeutungen zu Leistungsdruck.
Ressourcen abstimmen: Wer bietet interne oder externe Unterstützung? Kontaktdaten bereitlegen, z. B. psychologische Beratung oder Sozialdienst.
Signal senden: Einladung zum Gespräch nicht per Mail im Stil einer Mahnung, sondern persönlich und empathisch.
Haltung reflektieren: Was ist mein echtes Anliegen im Gespräch? Will ich klären, verstehen oder schnell zurückführen?
Geduld einplanen: Realistische Erwartung an Gesprächsdauer, Tiefe und Ergebnisse – lieber zu offen als zu zielorientiert.
Handlungsoptionen prüfen: Besteht die Möglichkeit für Anpassungen im Team, Aufgabenwechsel oder flexiblere Zeiten?
Verbindlichkeit sichern: Ergebnisse schriftlich festhalten – nicht als Protokoll, sondern als gemeinsame Vereinbarung.
Nachhalten, nicht kontrollieren: Wiedervorlage nach 2–4 Wochen mit freundlicher Nachfrage – keine Leistungskontrolle.

Diese Checkliste bietet echten Mehrwert für Führungskräfte, die sich praxisnah auf ein BEM-Gespräch vorbereiten wollen, ohne sich durch Richtliniendokumente wühlen zu müssen.

Schnittstelle zwischen Pflicht und Haltung

Rechtlich gesehen ist das BEM klar geregelt. Unternehmen sind verpflichtet, bei längeren Ausfällen ein Gespräch anzubieten. Doch wie dieses Gespräch gestaltet wird, entscheidet über Wirkung und Nutzen. Hier unterscheidet sich eine Pflichterfüllung von einer gelebten Haltung.

BEM wird dann wirksam, wenn es nicht als Einzelfallbehandlung verstanden wird, sondern als Teil einer nachhaltigen Unternehmenskultur: transparent, wertschätzend, mit echtem Interesse am Menschen. Führungskräfte spielen dabei eine Schlüsselrolle – sie sind das Bindeglied zwischen Struktur und Beziehung.

Der unterschätzte Hebel für Unternehmenskultur

BEM kann eine Initialzündung sein – nicht nur für einzelne Rückkehrprozesse, sondern für die gesamte Kultur eines Unternehmens. Wer BEM ernst nimmt, sendet ein starkes Signal an alle Mitarbeitenden: Du bist mehr als deine Arbeitskraft. Deine Gesundheit zählt. Deine Stimme wird gehört.

In Zeiten steigender Arbeitsbelastung, Fachkräftemangel und psychischer Erkrankungen gewinnt diese Haltung an Bedeutung. Unternehmen, die hier konsequent handeln, profitieren nicht nur durch geringere Fehlzeiten, sondern durch mehr Loyalität, Motivation und Stabilität in ihren Teams.

Verantwortung mit Wirkung

Der größte Fehler im Umgang mit dem BEM ist, es als HR-Thema zu isolieren. Es betrifft das ganze Unternehmen. Führungskräfte müssen vorbereitet sein, Mitarbeitende informiert, Prozesse klar definiert. Nur dann wird aus einer Pflicht ein Werkzeug – und aus einem Rückkehrgespräch ein Wendepunkt.

Haltung zeigen. Beziehungen stärken. Chancen nutzen.

Teammeeting im Büro als Symbol für Zusammenarbeit im BEM

BEM ist keine Checkliste – es ist ein Beziehungssystem. Wer es ernst nimmt, erkennt darin eine Chance: für vertrauensvolle Kommunikation, für nachhaltige Lösungen und für echte Kulturentwicklung. Die Rückkehr in den Job wird so nicht zur administrativen Formalität, sondern zur Begegnung auf Augenhöhe. Ein Unternehmen, das das versteht, gewinnt nicht nur gesunde Mitarbeitende – sondern gesunde Strukturen.

Bildnachweis: BullRun, InsideCreativeHouse, visoot, Adobe Stock